Bindung von Mitarbeitenden

Retention Management

Mitarbeitende binden in sechs Schritten- Retention Management

Retention Management- eine Hand wäscht die Andere

Fachkräfte? Fehlanzeige. Der Personalmangel in Deutschland findet sich aktuell auf einem Allzeithoch. 873.000 offene Stellen im September 2022 – 74.000 mehr, als im Jahr zuvor – gelten als Vorbote auf das, was noch kommt. Ein Sprung ins kalte Wasser für Arbeitgeber, die diesen Trend so nicht vorhersehen konnten und in den kommenden Jahren vielmehr überrascht auf leere Bürostühle und Konferenzräume blicken? Nicht ganz.

Beim Blick auf die demografischen Entwicklungen in Deutschland, sollten beim Stichwort „Fachkräftemangel“ aktuell alle Alarmglocken bei Arbeitgebern anspringen. Eine Vielzahl der Babyboomer wird bald in Rente gehen, Geburtenraten haben in den letzten Jahren allerdings massiv abgenommen. Die Konsequenz: Die Generation der nachkommenden Arbeitskräfte ist deutlich kleiner, als es der Markt benötigt. Dazu kommt, dass die hohe Innovationskraft insbesondere in technischen und hoch-digitalisierten Branchen neue Berufsbilder hervorgebracht hat, die Fachwissen voraussetzen, für welches aktuell noch zu wenige Arbeitnehmer:innen die Kompetenzen besitzen.

Ein weiterer Initiator des Fachkräftemangels ist zudem der globale Wettbewerb zwischen Unternehmen. Junge Menschen mit hohem Ausbildungsgrad gehen beim Jobeinstieg selektiv vor. Unternehmen locken mit vielversprechenden Benefits, Karrierechancen und finanziellen Möglichkeiten. Dementsprechend ist es im sogenannten „War of Talents“ wichtiger denn je, qualifiziertes Personal langfristig an das Unternehmen zu binden. Denn nur wer Mitarbeitende langfristig hält, kann sich im Kampf um neue Talente etwas zurücklehnen.

Retention Management – Eine Win-Win-Situation

Dringend benötigt werden also Maßnahmen, um Mitarbeitende von einer stillen Kündigung (engl. Quiet Quitting) oder dem Abwerben anderer Unternehmen oder Headhunter abzuhalten. An dieser Stelle kommt Retention Management ins Spiel. Dieser Begriff umfasst alle Strategien und Schritte, um Mitarbeiterbindung zu stärken – quasi ein sogenanntes „Bindungsmanagement“. Dieser Instrumentekatalog ist in der Human Resources Abteilung angesiedelt und wird bestenfalls schon eingesetzt, bevor es überhaupt zum Quiet Quitting von Mitarbeitenden kommen kann. Das Ziel von Retention Management ist es deshalb, Instrumente und Maßnahmen zu implementieren, um für Teammitglieder das bestmöglichste Arbeitsklima zu schaffen. So, dass diese letztendlich nicht anders „können“, als ihrem Unternehmen treu zu blieben. Hand in Hand mit hoher Mitarbeiterzufriedenheit durch erfolgreiches Retention Management gehen dementsprechend weniger Arbeit für die Akquisition neuer Talente, die Minimierung der damit verbundenen Kosten und ein Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt durch besonders hochqualifiziertes und langjähriges Personal.

Retention Management- Strategi der Mitarbeiterbindung in sechs Schritten

Step-by-Step zur erfolgreichen Mitarbeiterbindung?

Um ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Retention Management zu implementieren, sollten sechs Fragen und sechs damit verbundene Prozessschritte besondere Berücksichtigung finden. 

Step 1: Wo sind wir gerade, wo wollen wir in Zukunft hin?

In der ersten Phase eines Retention Management Prozess wird der Mitarbeiterbedarf aus den Unternehmenszielen abgeleitet. Diese ausführliche Analyse hilft beim Prognostizieren, welche HR-Themen in Zukunft strategisch wichtig werden. Möchte ein Unternehmen beispielsweise einen Imagewechsel einläuten, wird in den kommenden Monaten die Arbeit aller Kommunikationsmitarbeitenden besonders relevant werden.

Step 2: Wo liegen Risiken und wie wahrscheinlich sind Kündigungen? 

Der zweite Schritt im Retention Management steht unter dem Motto: Risiko. Die verschiedenen Risikoklassen innerhalb Unternehmen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Austrittsrisiko: Wie hoch ist das Risiko, dass Mitarbeitende das Unternehmen verlassen?
  • Qualitätsrisiko: Wie hoch ist das Risiko, dass die Qualifikationen der Mitarbeitenden nicht ausreichend sind?
  • Engpassrisiko: Wie hoch ist das Risiko, das freigewordene Stellen nicht passend besetzt werden können?

Diese Risiken sollten bewerten werden, um zielführende Retention Maßnahmen zu ergreifen und somit Fluktuation vorzubeugen. Letztendlich kann mithilfe der Retention Matrix prognostiziert werden: Mitarbeitende mit hohem Leistungspotenzial (hoher Bildungsgrad, vielfältige (Auslands-) Erfahrungen, zugehörig zu unterbesetzter Fachrichtung) sollten in der Regel im Zentrum von Retention Maßnahmen stehen. Umso höher das Leistungspotenzial, umso ernstzunehmender das Austrittsrisiko.



Step 3: Was motiviert Mitarbeitende? Was demotiviert sie?

Bevor eine geeignete Retention Strategie mit zugehörigen Maßnahmen entwickelt werden kann, sollte zuerst ein Dialog mit der Zielgruppe geführt werden. Retention Instrumente können nur den Nerv der Mitarbeitenden treffen, wenn sie auf deren Motivations- und Demotivationsfaktoren abgestimmt sind. Äußern Teammitglieder beispielsweise den Wunsch nach mehr Home-Office-Möglichkeiten und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, kann das als Indiz gesehen werden, Retention Maßnahmen hinsichtlich Flexibilität und Work-Life-Balance zu implementieren.

Step 4: Wie könnte die Retention Strategie aussehen?

Mit dem Wissen um die Wünsche und Sorgen der Mitarbeitenden können in diesem Schritt konkrete Maßnahmen zu deren Bindung an das Unternehmen entwickelt werden. Elemente einer Retention Strategie gehen von monetären Maßnahmen wie unterjährigen Gehaltsverhandlungen, Incentives und Altersvorsorgen über Entwicklungsmaßnahmen wie die Teilnahme an Weiterbildungen, Teamentwicklungen, Jobrotationsmöglichkeiten und Auslandsaufenthalten bis hin zur Einführung neuer Arbeitszeitmodelle und Home-Office-Bestimmungen.

Step 5 Wer ist verantwortlich für die Umsetzung?

Ein Retention Management, das „so nebenher“ läuft, ist kaum nachhaltig und zukunftsfähig. Folglich ist es wichtig, Verantwortlichkeiten zu definieren oder ein ganzes Retention-Team zu bestimmen. So kann sichergestellt werden, dass die Maßnahmen durchgeführt werden und auch zuvor bestimmte Kennzahlen und Ziele erreicht werden. Dieses Team behält zudem Wirtschaftlichkeit, Effektivität und Effizienz der Retention Maßnahmen im Blick.Wer leitet die Umsetzung?

Step 6: Wurden die Retention Ziele erreicht?

Nach erfolgreicher Implementierung der Maßnahmen gilt es, deren Wirksamkeit zu evaluieren. Insofern werden an dieser Stelle die zuvor definierten Ziele und Kennzahlen wichtig. Wurde die Fluktuationsquote um 10% gesenkt? Sind bessere Bewertungen in Arbeitnehmerportalen eingegangen? Konnten durch besonders attraktive Retention Maßnahmen sogar neue Arbeitnehmer:innen angeworben werden? Diese Analyse gibt Aufschluss darüber, wie das Retention Management in den Teams aufgenommen wurde und ob in Zukunft neue Maßnahmen entwickelt werden müssen.

Mit Benefits im Retention Management gegen Fluktuation ankämpfen

Ob eine Retention Strategie Erfolg hat, kann an den zuvor festgelegten Zielen und Kennzahlen messbar gemacht werden. Zum Beispiel mit einer niedrigen Fluktuationsrate unter Mitarbeitenden. Dementsprechend lässt es sich nur schwer vergleichen, wie zukunftsfähig Retention Management in deutschen Unternehmen bereits gelebt wird – Arbeitgeber sind nicht dazu verpflichtet, Daten zu veröffentlichen, die auf das Fluktuationsrisiko schließen lassen.

Allerdings kann man auf Befragungen der Personengruppe zurückgreifen, die im Mittelpunkt aller Retention Maßnahmen steht: die Arbeitnehmer:innen selbst. So hat das Jobportal Glassdoor durch die Arbeitgeber-Bewertungen auf der Plattform gestöbert und die getesteten Unternehmen nach Attraktivität der Mitarbeitenden -Benefits aufgelistet. Und auch, wenn man auf dem Gewinnertreppchen dynamische, agile Start-ups mit großem Verständnis für eine junge Zielgruppe erwartet, gehören die Sieger-Unternehmen letztendlich doch zur Kategorie: Alte Bekannte. Beispielsweise freuen sich Mitarbeitende bei Audi über interessante Möglichkeiten für interne Wechsel und horizontale Entwicklung, eBay punktet mit attraktiven Weiterbildungsentwicklungen, Procter & Gable überzeugt mit überdurchschnittlichen Sozialleistungen und bei DATEV wird insbesondere die freie Arbeitszeiteinteilung gelobt. Diesen Angaben zufolge ein klarer Fall? Retention Management ist bereits im vollen Gange und Arbeitgeber wissen, wie elementar Mitarbeiterbindung im Jahr 2023 ist? Ein Blick auf kleine und mittelständische Unternehmen zeigt ein anderes Bild.

Obstkorb und gratis Kaffee? Danke, aber Nein Danke!

Das Problem ist bekannt – der richtige Umgang damit eher weniger. So könnte der aktuelle Umgang mit Retention Management innerhalb kleiner und mittelständischer Unternehmen beschrieben werden. Die Leuphana Universität hat in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft über hundert mittelständische Unternehmen zu ihren Retention Strategien befragt. Die Forschung kam zu dem Schluss, dass die meisten Unternehmen zwar über die Wichtigkeit von Mitarbeiterbindung Bescheid wussten. Allerdings kannte die Hälfte aller befragten Firmen nicht das Konzept „Retention Management“. Besonders KMUs mit weniger als 50 Mitarbeitenden stehen bei der Mitarbeiterbindung noch ganz am Anfang, ihnen fehlt grundlegendes Wissen über zielführendes Retention Management.

Laut der Studie finden sich Retention Benefits wie finanzielle Anreize, eine verbesserte Unternehmens- und Führungskultur und eine positive Work-Learn-Life-Integration ganz vorne auf der Liste der Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung.
Benefits, die Arbeitgeber:innen wohl kaum abschlagen. Letztendlich ist aber auch die Frage um die Selbstverständlichkeit vieler sogenannter „Anreize“ erlaubt – sind Home-Office-Möglichkeiten, die gute Einarbeitungsphase oder kostenloses Obst im Büro tatsächlich in der Kategorie „Benefits“, oder viel mehr unter „Mindestvoraussetzung“ für Arbeitnehmer:innen im Jahr 2023 zu verbuchen?

Umso wichtiger wird es in Zukunft sein, Retention Maßnahmen an die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen, die verschiedenen Risikofaktoren auszuwerten und die Retention Strategie regelmäßig zu evaluieren und anzupassen. Denn nur so, können sich „Mal schauen, ob noch ein besseres Jobangebot kommt“-Arbeitnehmer:innen in wertvolle und langjährige Teammitglieder verwandeln, die nach einer gemeinsamen Vision streben und die Werte ihres Arbeitgebers leben.

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