Arbeitskultur
Bye, Bye Überstunden – Hallo Quiet Quitting?
Was ist Quiet Quitting?
Freitagabend, 16.48 Uhr. Der Chef bittet freundlich, ob der Teamkollege noch kurz die Excel-Tabelle für das Montags-Meeting vorbereiten könnte. Montagmorgen, 9.15 Uhr. Eine neue Teamkollegin fragt den Mitarbeiter freundlich nach einem halbstündigen Gespräch in der Mittagspause zur Prozess-Einarbeitung. Mittwochnachmittag, 14.31 Uhr. Der Teamlead schreibt dem Kollegen an seinem freien Tag eine kurze WhatsApp-Nachricht und erwartet eine Antwort, wo dieser denn das finale Dokument gespeichert hätte. Mal angenommen, der Mitarbeiter in diesen Szenarios hätte auf die Bitten mit „Nein“ oder gar nicht geantwortet, könnte er als unambitioniert, inaktiv oder gar als faul abgestempelt werden.
Allerdings beschreibt diese Arbeitseinstellung ein Phänomen, das in unserer heutigen Arbeitskultur bereits stattfindet und zukünftig an Bedeutung gewinnen könnte: Quiet Quitting.
Aussteigen vor der Extrameile
Für den Traumjob eine “Extrameile” gehen? Unbezahlte Arbeit, Überstunden oder auch das Übernehmen von To Do’s außerhalb des eigenen Aufgabengebietes gehören für viele Arbeitnehmer:innen zum Alltag. Mit dieser Einstellung macht der Quiet Quitting-Trend Schluss. Das Phänomen beschreibt die stille Grenzziehung zwischen vertraglich vereinbarter Leistung und über den Vertragsinhalt hinausgehender Extra-Arbeit. Die Quiet Quitting-Bewegung geht auf den Influencer Zaid Kahn zurück, der in einem viralen Video seine Arbeitsmoral vorstellt. Die Idee, sich von der Überstunden-Kultur zu distanzieren und den persönlichen Fokus weg vom Job als wichtigsten Lebensinhalt und hinzu einer gesunden Work-Life-Balance zu verschieben. Zaid Kahn und andere Quiet Quitting-Verfächter:innen mögen ihre Jobs und gehen morgens gerne zur Arbeit, lediglich für die Extrameile sind sie nicht bereit.
Quiet Quitting- auch in Deutschland ein Thema?
In den Sprachgebrauch aufgenommen wurde der Begriff Quiet Quitting in den USA – könnte es sich dementsprechend um ein rein amerikanisches Phänomen handeln? Das Umfrageinstitut Yougov und das Statistische Bundesamt antworten auf diese Frage mit Kopfschütteln und präsentieren aussagekräftige Zahlen, welche die Vermutung nahelegen: Quiet Quitting ist auch in Deutschland mehr als angekommen. 56% aller deutschen Arbeitnehmer:innen würden ihren Job kündigen, könnten sie sich das finanzieren. 76% unterstützen das Konzept „Vier-Tage-Woche“ bei vollem Lohnausgleich und wünschen sich, ihrem Job an nur vier Wochentagen nachgehen zu müssen. Allerdings hat sich diese Einstellung nicht von heute auf morgen entwickelt: 2021 haben 4,5 Millionen Arbeitnehmer:innen über die in ihrem Arbeitsvertrag vereinbarten Stunden hinaus gearbeitet, 22% der Mitarbeitenden haben ihre Überstunden nicht bezahlt bekommen.
Aufstehen, Frühstücken und Dienst nach Vorschrift
Einerseits ist es kein Geheimnis, dass insbesondere in jüngeren Generationen der obligatorische Obstkorb, New-Work-Büros oder materielle Benefits für einen zufriedenstellenden Arbeitsalltag nicht mehr ausreichen. Andererseits stellt die pandemiebedingte Homeoffice Kultur für Mitarbeitende die Herausforderung dar, sich mit dem Arbeitgeber und dessen Vision zu identifizieren und sich als persönlichen Teil der Unternehmenskultur zu fühlen. Dementsprechend kann Quiet Quitting aus den unterschiedlichsten Motiven erfolgen: Eine fehlende, gemeinschaftliche Mission, ein schwacher Teamspirit oder das Gefühl von Nicht-Wertschätzung der eigenen Leistung. Umso wichtiger ist es für Führungskräfte, die „stille Kündigung“ vorzubeugen.
Quiet Quitting – was können Führungskräfte tun?
Balance vorleben:
Wenn der Chef am Freitag bis zum Sonnenuntergang im Büro sitzt und noch spät am Abend E-Mails versendet, löst das bei Mitarbeitenden Leistungsdruck aus. Führungskräfte können von Teammitgliedern nicht erwarten, 24 Stunden am Tag erreichbar zu sein. Das Wissen darüber, dass die eigene Führungskraft auch „nur ein Mensch“ ist und ein Leben außerhalb der vier Bürowände führt, erzeugt bei den Mitarbeitenden ein aufgelockertes Arbeitsklima.
Freizeit respektieren:
Sobald ein Mailprogramm den klassischen Urlaubsassistenten verschickt, muss klar sein: Urlaub ist Urlaub! Freizeit ist für Mitarbeitende essentiell um neue Kraft zu schöpfen und Motivation für die Zeit nach dem Urlaub zu sammeln. Diesen Prozess zu unterbrechen sorgt bei Teammitgliedern für zusätzlichen Druck und ein Gefühl des Nicht-Respektiert-Werdens.
Visionen kommunizieren:
Mitarbeitende sollen die Unternehmensvision leben und eine persönliche Passion für die Ziele entwickeln? Dann müssen eben diese Visionen kommuniziert und kontinuierlich gestärkt werden. Eine gute Führungskraft sollte ein Gespür dafür entwickeln, welche Teammitglieder welche Art von Motivation im Joballtag benötigen. So können Aufgaben nach Interessensgebieten verteilt werden und Eigeninitiative wird befeuert.
Teamspirit stärken:
Pandemiebedingt hat das Gemeinschaftsgefühl vieler Teams massiv gelitten. Deswegen sollten Führungskräfte diese Entwicklung nicht als negative und persönliche Distanzierung betrachten, sondern vielmehr als Chance, ihr Team neu zu strukturieren und die Bedenken und Ängste ihrer Mitarbeiter:innen ernst zu nehmen. Gemeinsame Workshops können dabei helfen, aus einer zurückhaltenden Gruppe in Zoom-Kacheln wieder ein sich gegenseitig stärkendes Team zu formen.
Sprechen, sprechen, sprechen!
Einer der größten Auslöser für Quiet Quitting ist das Gefühl, keine Wertschätzung von der Führungskraft zu erhalten. Jedoch kann den Mitarbeitenden in persönlichen Gesprächen vermittelt werden, dass sie ein wichtiger Teil des Unternehmens sind und dass die Teamvision ohne ihre Arbeit nicht erreicht werden kann. Regelmäßiges, konstruktives Feedback hilft Mitarbeiter:innen dabei, ihre Stärken zu stärken und die persönliche Motivation im Job auszubauen.
Ansporn statt Worst-Case-Szenario
Das Quiet Quitting-Phänomen gibt Unternehmen keinen Anlass, an ihren Mitarbeitenden zu zweifeln oder gar über fehlende Motivation aufgebracht zu sein. Zweifellos kann die stille Kündigung eine logische Konsequenz aus zwei kräftezehrenden Pandemiejahren sein. Oftmals hat das nichts mit der Qualität der Führungskräfte zu tun. Insofern sollten Unternehmen das Phänomen nicht als Horror-Szenario betrachten, sondern vielmehr als Ansporn, ihre Mitarbeitenden als essenzielle Puzzleteile im Team zu betrachten und ihnen diese Unentbehrlichkeit im Gesamtbild durch Taten kommunizieren.
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